Wie wollen wir in Zukunft leben?
Wie gestalten wir Wohnraum in der Zukunft, wie wollen wir in Zukunft leben? Diese Frage stellte Nicole Razavi, Landtagsabgeordnete und Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen, an den Beginn ihrer Ausführungen bei ihrem Besuch beim Stadtseniorenrat Geislingen. Bezahlbarer Wohnraum sei das Thema der heutigen Zeit. Aber Wohnraum müsse nicht nur bezahlbar sondern auch würdevoll sein.
Bei der Erstellung von neuem Wohnraum hätten die Bauherren derzeit mit großen Problemen zu kämpfen. „Die Preise schießen durch die Decke“, sagte die Ministerin, für viele seien ihre geplanten Bauvorhaben nicht mehr finanzierbar. Sie finde es klasse, dass die GSW in Geislingen trotz aller Widrigkeiten viel neuen Wohnraum schaffe. Die Kommunen hätten für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum eine große Verantwortung.
Anschließend kam die Ministerin auf die Energieversorgung und die Angst der Menschen zu sprechen, ob sie sich eine warme Wohnung im Winter noch würden leisten können. Sie sagte, dass sie die Gaspreisbremse der Bundesregierung begrüße und froh sei, dass diese endlich im Gespräch sei.
Für den Bezug einer preisgünstigen, mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnung benötige man einen Wohnberechtigungsschein. Sie forderte die Mitglieder des Stadtseniorenrats auf, einmal zu raten, bis zu welchem Jahreseinkommen eine vierköpfige Familie, also eine Familie mit zwei Kindern, einen Wohnberechtigungsschein erhalte. 30.000 €, 33.000 € und 50.000 € lauteten die Schätzungen. Überrascht waren die Mitglieder des Stadtseniorenrats dann jedoch, als die Ministerin verkündete, für eine vierköpfige Familie liege die Grenze bei einem Jahreseinkommen von 70.000 €. Das hätten die wenigsten erwartet.
Zum Schluss ihrer Ausführungen zum Wohnen hob die Ministerin hervor, dass Wohneigentum zugleich auch die beste Altersvorsorge sei.
Kreative Ideen sind gefragt
Damit leitete sie zum zweiten Punkt ihrer Ausführungen über. Bei der Barrierefreiheit seien in der Vergangenheit viele Fehler gemacht worden. Barrierefreiheit würde nicht nur von einigen Menschen sondern von vielen benötigt. Und Barrierefreiheit müsse auch nicht viel kosten, wenn sie von Anfang an eingeplant werde. In der Vergangenheit hätten Planer in Fußgängerzonen oft Stufen und Kanten vorgesehen. Diese müssten weg. Davon würden nicht nur Rollstuhlfahrer profitieren, sondern auch Leute mit Kinderwagen sowie gehbehinderte und ältere Menschen. Es gebe auch entsprechende Förderprogramme. So habe Geislingen beispielsweise die Barrierefreiheit des neuen Rathauses mit Hilfe des Fußgängerstegs über die Rohrach hinbekommen.
Weiter sprach die Ministerin die Innenstadtgestaltung an, bei der in der Vergangenheit ebenfalls viel falsch gemacht worden sei. So seien beispielsweise Altenzentren oft am Stadtrand errichtet worden. Sie gehörten jedoch mitten in die Stadt. Den älteren Menschen müsse eine Möglichkeit eingeräumt werden, am Leben teilhaben zu können. Auch Einkaufzentren befänden sich oft in Randlagen oder auf der grünen Wiese. Die Innenstädte seien manches Mal zu Betonvierteln geworden. In diesen sei keine Aufenthaltsqualität mehr gegeben. Sie seien damit zum Sterben verurteilt. Zum Glück finde hier ein Umdenken statt.
Viele Menschen hätten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Dies zeige, dass es vielen leerstehenden Wohnraum gegeben habe. Man müsse auch kreative Ideen bei der Schaffung von neuem Wohnraum verfolgen. Ein sehr teurer Kostenfaktor seien heute die Grundstückspreise in den Innenstädten. Ein solch kreatives Projekt werde derzeit in Karlsruhe realisiert. Dabei würden auf bestehenden Garagenzeilen Holzhäuser zum Wohnen errichtet. Dies ergebe kostengünstigen Wohnraum, da die sehr hohen Grundstückskosten vermieden würden.
Viele Einfamilienhäuser würden heute nur noch von einer alleinstehenden Frau bewohnt. Hier habe die Gemeinde Bodnegg am Bodensee ein sehr interessantes Projekt gestartet. Die Gemeinde biete den Eigentümern an, das Einfamilienhaus in zwei Wohnungen umzubauen. Das habe den Vorteil, dass der Eigentümer weiter in seinem Haus wohnen bleiben könne und zusätzlicher freier Wohnraum entstehe. So gebe es viele gute Ideen.
Probleme in Geislingen und darüber hinaus
In der anschließenden Diskussion wurden viele verschiedene Themen angesprochen. Teils ging es um spezielle Geislinger Probleme, wie den Pflasterbelag in der Geislinger Fußgängerzone, der ein Befahren mit einem Rollator nahezu unmöglich macht, teils aber auch um landesweite Probleme.
Kai Steffen Meier, Mitglied der CDU-Fraktion im Geislinger Gemeinderat, stellte für das Problem des unebenen Pflasterbelags in der Fußgängerzone eine teilweise Lösung in Aussicht. Er erläuterte, dass in der Fußgängerzone Leitungen für eine bessere Internetverbindung verlegt würden. Dabei müsse ohnehin aufgegraben werden. Er könne sich vorstellen, dass man anschließend einen ca. 2 m breiten durchgehenden Streifen mit einem gut befahrbaren Belag herrichte. Diese Überlegungen wurden von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Gesprächsrunde sehr begrüßt.
Weitere spezielle Geislinger Themen waren die Barrierefreiheit des Geislinger Bahnhofs und die Bahnsteighöhe. Hier sah die Ministerin Geislingen gut aufgestellt. Sie geht davon aus, dass diese Höhe, wie sie in Geislingen gegeben ist, bei den Zügen, die in Zukunft im Filstal verkehren werden, die richtige ist.
Auch die Nachnutzung der Helfenstein-Klinik wurde angesprochen. Die Ministerin bedauerte, dass diese immer noch nicht geklärt ist. Sie äußerte Verständnis für Ängste und Sorgen im Hinblick auf die medizinische Versorgung der Menschen in Geislingen und im oberen Filstal.
Die zukünftige Erreichbarkeit der Klinik am Eichert mit öffentlichen Verkehrsmitteln war ein weiterer Punkt, der dem Stadtseniorenrat am Herzen lag. Eine Teilnehmerin wies darauf hin, dass sie zunächst einen langen Weg zum Geislinger Bahnhof zurücklegen müsse, dann mit dem Zug nach Göppingen fahren müsse und anschließend mit dem Bus zur Klinik am Eichert. Der Stadtseniorenrat vertritt mit Entschiedenheit die Auffassung, dass eine solche „Reise“ älteren Menschen beim Besuch ihrer Angehörigen im Krankenhaus nicht zumutbar ist. Der Besuch von Familienangehörigen in der Klinik am Eichert wird ihnen so unmöglich gemacht. Dabei weiß man doch, dass der Kontakt zu Familienangehörigen zur Heilung wichtig ist. In diesem Zusammenhang wurde auch Unverständnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass für den Klinikneubau nicht ein Standort in der Mitte des Landkreises gewählt wurde. Schon früh habe es viele Stimmen gegeben, die das damals vom Landkreis propagierte Konzept „Eine Klinik, zwei Standorte“ für nicht zukunftsfähig gehalten hätten.
Eine Vereinfachung der sehr umfangreichen Vorschriften bei der Erstellung von neuem Wohnraum aber auch bei der Schaffung von neuem Wohnraum durch Umbau oder Aufstockung, Umwidmung oder Renovierung nahm in der Diskussion einen breiten Raum ein. Die Ministerin zeigte für die Forderung nach Vereinfachung und Bürokratieabbau viel Verständnis.